Bildkompetenz in Praxis und Theorie. Die aktuellen Forschungsprojekte am Studiengang «Visual Journalism and Documentary Photography»

Neben der Vorbereitung auf eine konkrete Berufspraxis ist für uns die theoretische Reflexion des eigenen Schaffens eine wesentliche Grundlage für den professionellen Umgang mit visuellen Medien. Wir sind überzeugt, dass es angesichts der sich verändernden Bildkultur mehr denn je eine anspruchsvolle, selbstreflektierte Fotografie braucht. Daher liegt ein wesentlicher Fokus der Ausbildung auf der Vermittlung einer umfassenden Bildkompetenz – praktisch und theoretisch.

[IMAGE MATTERS] Eine Diskursplattform, die Fragestellungen aus der fotografischen Bildpraxis und Diskurse der Bild- und Fototheorie sowie der Visual und Cultural Studies in einen Dialog bringt.

Mit dem Ziel für beide Seiten wesentliche neue Perspektiven zu eröffnen, versammelt [IMAGE MATTERS] ein Netzwerk nationaler und internationaler Expert*innen, die aktuelle Bild- und Mediendiskurse aufgreifen, erforschen und über die Grenzen der einzelnen Fachdisziplinen hinaus in eine breitere Öffentlichkeit tragen. Mit dem Fokus auf die Schnittstellen von Theorie und Praxis ist der Transfer wissenschaftlicher Debatten in die Gesellschaft ein wesentliches Anliegen der Diskursplattform.

[IMAGE MATTERS] veranstaltet Workshops und Symposien und erarbeitet Publikationen. Im Rahmen von [IMAGE MATTERS] wurden bisher zwei Forschungsvorhaben durchgeführt. Das erste [IMAGE MATTERS]-Projekt hat die Bilddiskurse des Kriegs und ‚Bilderkriege‘ erforscht. Das zweite Vorhaben widmet sich den ‚Bild-Text-Relationen in journalistischen Publikationskontexten‘. Wesentliche Bestandteile beider Forschungsprojekte waren zwei Fachtagungen und anschließende Publikationen. Die Projekte wurden durch Drittmittel aus dem Professorinnenprogramm II und VW Vorab gefördert.

2018 wurde die Publikation ‚Images in Conflict / Bilder im Konflikt‘ herausgegeben. Sie knüpft an die gleichnamige Tagung und Ausstellung an, die im Mai 2017 an der Fakultät III der Hochschule Hannover und in der GAF – Galerie für Fotografie stattgefunden haben. In vier Kapiteln (‚Akteure und Perspektiven‘, ‚Nichts als die Wahrheit‘, Sichtbar unsichtbar‘, ‚Wie den Bildern Wirksamkeit verleihen‘) werden die zentralen Aspekte aktueller Visualisierungsstrategien und Bildkonflikte vor dem Hintergrund der Frage nach dem Verhältnis von Konflikten und ihrer Medialisierung sichtbar gemacht. In einem Dialog zwischen fotografischer Bildpraxis und Diskursen der Bildwissenschaften richtet sich der Fokus auf zukünftige Perspektiven im Feld von Fotojournalismus und Dokumentarfotografie.

2020 ist die zweite [IMAGE MATTERS]-Publikation ‚image/con/text. Dokumentarische Praktiken zwischen Journalismus, Kunst und Aktivismus‘ erschienen. Sie knüpft an das international besetzte Symposium‚ image/con/text. Komplementäre Zeugnisse im dokumentarischen Diskurs‘ an, das im Herbst 2019 an der Hochschule Hannover veranstaltet wurde. Die Publikation untersucht die Relationen von Bild und Text in aktuellen wie historisch wegweisenden Projekten insbesondere aus dem Bereich Fotobuch, aber auch in Film, Multimedia, Comic und den Erzählformen des Archivs. Die betrachteten dokumentarischen Strategien bewegen sich zwischen journalistischen, künstlerischen und aktivistischen Positionen, sie verweben Fakt und Fiktion und spüren Machtkonstellationen im Darstellungsprozess auf. Die bewusste Herstellung von Kontexten wird von fotografisch Erzählenden zunehmend als Möglichkeit begriffen, nicht zuletzt den Rahmen des Erzählbaren zu erweitern.

With a variety of voices and practices, image/con/text. adds to the so much needed discourse on today’s documentary photography. During the symposium, which served as the ground work for this publication, it became once more apparent how important it is to be aware of one’s perspective and position as documentary photographer.

Iris Sikking, Kuratorin

Image Market – Business Trends Ein Forschungsprojekt über die Entwicklung des Handels mit Nutzungsrechten an Bildern

Seit vielen Jahren durchlaufen die Medien im Allgemeinen und die Bildpublizistik im Besonderen einen Strukturwandel, für dessen Dimension und Dynamik sich kaum aktuelle oder historische Vergleiche, weder innerhalb der Bildmedien, noch in anderen Branchen, finden lassen. Infolge der Digitalisierung verändert sich der Umgang mit Nutzungsrechten an Bildern bis zur Unkenntlichkeit. Fotograf:innen werden zu multimedialen Content-Lieferant:innen. Die monomediale Publikation wird ersetzt durch die transmediale Veröffentlichung von Inhalten.

Klassische Bildagenturen verschwinden aus wirtschaftlichen Gründen, neue Anbietende treten in den Markt ein und verändern nicht nur die Geschäftsmodelle, sondern auch Arbeitsbedingungen und Bildsprachen. Die veränderten Herstellungs- und Publikationsbedingungen von Bildern bedeuten nicht nur einen Wandel des Bildjournalismus im speziellen, sondern der Bildmedien insgesamt, über dessen gesamtgesellschaftliche Wirkungen zurzeit nur spekuliert werden kann.

Geleitet von Prof. Lars Bauernschmitt untersucht die Forschungsgruppe „image market – business trends“ seit 2018 Jahren die Entwicklung des Handels mit Nutzungsrechten an Bildern und dokumentiert, wie gesellschaftliche, mediale, rechtliche und technische Entwicklungen sich gegenseitig beeinflussend, den Bildermarkt laufend verändern und im Ergebnis bestimmen, welche Bilder (aus welcher Quelle, mit welcher Bildsprache und welcher Bildgestaltung) überhaupt veröffentlicht werden.

Wandel bildredaktioneller Praktiken im digitalen Zeitungsjournalismus Eine vergleichende Untersuchung niedersächsischer Lokalredaktionen und überregionaler Presse

Angesichts eines tiefgreifenden Wandlungsprozesses im deutschen Zeitungsjournalismus unter den Vorzeichen der Digitalisierung und einer stetigen Bedeutungszunahme von Visualisierung nimmt das Forschungsvorhaben bildredaktionelle Strukturen und Tätigkeiten in deutschen Zeitungsredaktionen im Print- und Online-Bereich in den Blick. Im Vordergrund steht dabei die Frage, wie sich innerhalb der Redaktionen auf die Verarbeitung von fotografischen Bildern spezialisierte Berufsrollen und Arbeitspraktiken ausgebildet haben.

Zentrale Instrumente der Untersuchung sind Redaktionsbeobachtungen und Experteninterviews, die bei drei überregionalen Qualitätszeitungen sowie drei niedersächsischen Lokalzeitungen durchgeführt werden, sowie eine Online-Befragung deutscher Zeitungsverlage. Über regionale Fachgespräche soll darüber hinaus der Dialog mit den Arbeitgeber- und Journalistenverbänden gesucht und ein Wissenschafts-Praxis-Transfer hergestellt werden. Gefördert wird das dreijährige Projekt aus dem Programm PRO*Niedersachsen. Die Projektleitung hat Dr. Felix Koltermann, der das Projekt auch eingeworben hat.

Sophia Greiff Perspektivenwechsel: Alternative Erzähl- und Darstellungsformen im aktuellen Fotojournalismus

Angesichts der zunehmenden Informationsflut und Komplexität in einer schnelllebigen und medialisierten Welt lässt sich im Fotojournalismus eine Tendenz zu alternativen Strategien des Erzählens beobachten, die die Grenzen des journalistischen Berichterstattens hinterfragen, reflektieren und herausfordern.

Das Dissertationsprojekt untersucht anhand von Fotobüchern und multimedialen Webformaten, inwiefern durch die Verschränkung unterschiedlicher Perspektiven und paralleler Erzählungen, durch bewusste Subjektivität und Betonung oder Erweiterung der Autor*innenschaft, durch Kollaborationen oder die Einbeziehung fiktionaler Elemente vielschichtigere Zugänge und Möglichkeiten der Rezeption geschaffen werden können. Dabei soll insbesondere der Frage nachgegangen werden, ob und wie sich der Fotojournalismus konzeptionelle Methoden aus dem Bereich der Kunst und Literatur nutzbar machen kann, um einer Vielfalt der Betrachtungsmöglichkeiten gerecht zu werden und tiefere Ebenen des Wissens und Verständnisses zu erlangen, ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Erstbetreuer: Prof. Dr. Steffen Siegel (Folkwang Universität der Künste, Essen)
Zweitbetreuerin: Prof. Dr. Karen Fromm (Hochschule Hannover)

Anna Stemmler Untote Bilder. Die indirekte Verarbeitung fotojournalistischer Aufnahmen im fiktiven Film seit 9/11

Den Ausgangspunkt des Forschungsprojekts bildet die Beobachtung, dass sich in fiktiven Filmen, die seit dem 11. September 2001 entstanden sind, Spuren der fotografischen Dokumente der Terroranschläge auf das World Trade Center in New York entdecken lassen. Dokumentarisches Bildmaterial oder eine dokumentarische Ästhetik scheint für den fiktiven Film an Bedeutung zu gewinnen.

Der Aspekt des Dokumentarischen im Fiktiven blieb – verglichen mit Untersuchungen zur Authentizität des Dokumentarfilms oder die Verwendung dokumentarischer Strategien im Bereich der Kunst – in der Forschung jedoch bislang unterbelichtet. Das Forschungsprojekt wird zunächst anhand mehrerer aktueller Werke eine exemplarische Ikonografie der dokumentarischen Bilder und Strategien im Spielfilmbereich aufstellen. Dafür werden mögliche Vor-Bilder aus dem fotojournalistischen Bereich identifiziert.

Es wird gefragt, was die Integration von Fotodokumenten im Spielfilm mit der Kontextinformation der fotojournalistischen Bilder macht; oft sind diese nur in Verbindung mit Wissen um ihre Herkunftssituation als Dokumente lesbar. Auch im neuen Kontext fiktiver Filme bewahren die gewanderten Bilder allerdings ihren affektiven Gehalt, der über das kollektive Bildgedächtnis aktivierbar und mit traumatischen Ereignissen verknüpft ist. Diese mediale Vermittlung soll als Versuch der Verarbeitung krisenhafter Ereignisse im Visuellen lesbar gemacht und einer kritischen Prüfung auf ihre Bildwirkungen unterzogen werden.

Erstbetreuerin: Prof. Dr. Susanne von Falkenhausen (Humboldt-Universität zu Berlin)
Zweitbetreuerin: Prof. Dr. Karen Fromm (Hochschule Hannover)

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